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Ausweg bei unbezahlbaren Tarif

Tarifwechsel nach § 204 VVG

Wen die private Krankenversicherung krank macht, weil sie zu teuer geworden ist und wer zu alt oder zu krank ist, um die Gesellschaft zu wechseln, kann nach § 204 VVG (Vorgängerparagraf $ 178 f VVG) einen Wechsel in einen anderen Tarif verlangen. Dabei müssen die aus dem Altvertrag erworbenen Rechte und Altersrückstellungen auf den neuen Tarif in voller Höhe übertragen werden. Dieser Wechsel ist jederzeit möglich. Hier handelt es sich um eine Schutzvorschrift für Versicherungsnehmer, um diese vor den Tricks der Versicherungsgesellschaften zu schützen. Die Tricks können darin bestehen, dass der Tarif zu knapp kalkuliert wurde und später die Beiträge übermäßig angehoben werden müssen, was zu einer Flucht der gesunde Kunden (Fachbegriff: gute Risiken) führt und die Risikostruktur im Tarif verschlechtert (durchschnittliche Krankheitkosten steigen). Diese Beitragsspirale entsteht nicht, wie oft fälschlicherweise angenommen wird, durch das Älterwerden der Kunden an sich (Vergreisung als verbreiteter Begriff), sondern in erster Linie durch die Entmischung der Tarifbestände von guten Risiken.

Ob neben dem Tarifwechsel nach § 204 VVG auch ein Wechsel zu einem neuen Versicherer erwägt werden sollte, hängt von individuellen Faktoren wie Alter (wg. neuer Prämie) und Gesundheitszustand ab. Wichtig ist auch die bisherige Versicherungszeit, weil davon die Höhe der angesparten Altersrückstellung abhängt und diese je nach Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zum Teil (Übertragungswert) mitgenommen werden kann oder komplett beim alten Versicher verbleibt (Vererbung). Diese beiden Möglichkeiten veranschaulicht folgende Grafik:

Tarifwechsel.gif


Ein Tarifwechsel innerhalb der Gesellschaft hat den Vorteil, dass die bisher angesparte Altersrückstellung komplett in den Wechseltarif übertragen und dort beitragsmindernd angerechnet wird. Im Wechseltarif erfolgt dadurch der Einstieg zum ursprünglichen Eintrittsalter und nicht zum aktuellen Alter. Weiterhin hat man die Option in alle Tarife zu wechseln, d.h. Alte-Welt-Tarife vor 2009 (mit Wechselmöglichkeit in Standardtarif), Tarife mit Übertragungswert ab 2009 und Unisex-Tarife. Ein Tarifwechsel ist aber nicht möglich, wenn eine Gesellschaft nur eine Tariflinie anbietet.

Ein Wechsel zum neuen Versicherer ist für gesunde bis 45-jährige, die nicht länger als 7 Jahre privatversichert sind, eine Option, da hier noch keine hohe Altersrückstellung aufgebaut wurde (zu Beginn des Vertrages mindern noch die Abschlusskosten die Altersrückstellung).  Falls der Vertrag ab 2009 abgeschlossen wurde, kann ein Teil der Altersrückstellung (sog. Übertragungswert) zum neuen Versicherer mitgenommen werden. Da der Übertragungswert von der Altersrückstellung abhängt, die sich bei einer fiktiven Versicherung im Basistarif ergeben hätte, ist der verlorene Anteil der Altersrückstellung umso größer, je größer der Unterschied zwischen bestehenden Tarif und Basistarif ist.


Tarifwechsel § 204 VVG

Das Tarifwechselrecht ist nicht nur in § 204 VVG geregelt, sondern in der VVG-Informationspflichtenverordnung (VVG-InfoV). Der Versicherer muss vor Vertragsabschluss (§ 3 Abs. 4 VVG-InfoV) und zum anderen bei Prämienerhöhung (§ 6 Abs. 2 VVG-InfoV) auf das Tarifwechselrecht hinweisen. Bei Beitragserhöhungen von über-60-jährigen Versicherten muss der Versicherer sogar die PKV-Tarife nennen, die einen gleichartigen Versicherungsschutz wie der bisherige Tarif bieten und bei einem Wechsel für den Kunden günstiger wären. Für diese Tarife sind die individuell zu zahlenden Prämien anzugeben (sogenanntes Niederstufungsangebot
gemäß § 6 Abs. 2 VVG-InfoV).


Vorgehen beim Tarifwechsel

Wie kann man nun konkret vorgehen und welchen Tarif soll man wählen? Zunächst ist ein Besuch der Website des bisherigen Krankenversicherers sinnvoll. Hier findet man schnell neue Tarife, die prominent beworben werden und deren Monatsbeitrag man direkt auf der Website berechnen kann. In diese Tarife kann man auch als Rentner wechseln. Man sollte sich natürlich auch die Leistungsbeschreibung des jeweiligen Tarifs ansehen (oft in Form von Broschüren und pdf-Dateien downloadbar), die irgendwo liegen. Nun müssen die Leistungen mit dem Alt-Tarif verglichen werden, zunächst nur für die grobe Einschätzung, ob der neue Tarif leistungsstärker oder schwächer ist. Die neuen Tarife sind oft von der Leistung schwächer als alte Tarife, die jemand vor vielen Jahren abgeschlossen hat. Der Versicherer wird später, wenn man einen Wechsel in den günstigeren Tarif vornehmen möchte, vermutlich Bedenken äußern und mit Lücken im Versicherungsschutz argumentieren (Angst erzeugen), da er mehr verdient, wenn die Leute gut und teuer versichert sind als umgekehrt. Soweit die Leistungen in dem neuen Tarif höher oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif, kann der Versicherer nach § 204 VVG für die Mehrleistung:

Der Versicherungsnehmer kann die Vereinbarung eines Risikozuschlages und einer Wartezeit dadurch abwenden, indem er hinsichtlich der Mehrleistung einen Leistungsausschluss vereinbart, d.h. eine sog. Mehrleistungsverzichtserklärung unterzeichnet. Dies ist sogar eine elegante Methode um sich die mühselige Diskussion mit dem Versicherer zu ersparen, ob der neue Tarif leistungsstärker ist als der alte. Praxisfälle zeigen, dass dies das erste Argument ist, dass die Gesellschaften verwenden um Kunden vom Wechsel abzuhalten. Dabei wird einfach eine Einzelleistung des neuen Tarifs herausgepickt bei welcher der neue Tarif stärker ist als der alte und behauptet, dass der neue Tarif stärker ist. Dass bei vielen anderen Einzelleistungen der alte Tarif stärker ist, wird nicht berücksichtigt. Durch eine Mehrleistungsverzichtserklärung kann man sich diese Diskussion sparen, d.h. der Wechsler bleibt auf dem gewohnten Leistungsniveau des alten PKV-Tarifs, zahlt aber die niedrigeren Beiträge des neuen PKV-Tarifs und umgeht so die Gesundheitsprüfung mit einem evtl. Risikozuschlag. Man sollte auch nicht den Fehler machen sich einen Wechsel in den Basistarif aufschwatzen zu lassen, weil dieser nur eine drittklassige medizinische Versorgung bietet und außerdem teuer ist. Der Höchstsatz beträgt 627,75 € monatlich (Jahr 2014).

Die o.g. Mehrleistungsverzichtserklärung werden natürlich nur diejenigen abgeben, die aufgrund von Vorerkrankungen die Gesundheitsprüfung nicht ohne Risikozuschläge überstehen würden. Für Gesunde wäre sogar ein Tarifwechsel, der im Zweifel bessere Leistungen bietet und gleichzeitig günstiger ist, möglich. Wie bereits erwähnt sind die alten Tarife jedoch bei vielen Leistungen stärker als neue Tarife. Ein genaues Studium der Tarifbedingungen und einzelner Leistungsarten ist hier daher ratsam. Ein Beispiel für zusätzliche Leistungen (bei Medikamente) des neuen Tarif könnte so aussehen:

Durch Verzicht auf diese 20% kann jemand mit Vorerkrankungen den Risikozuschlag im neuen Tarif abwenden. Aufpassen müssen langjährig Privatversicherte mit starken alten Tarifen, dass sie bei einem Wechel in einen neuen Tarif nicht zu viel an Leistung (vor allem im Krankenhaus) verlieren. Denn das würde bedeuten, dass jahrelang (umsonst) für Leistungen Beiträge gezahlt wurden, die dann im Alter wenn man sie braucht, nicht zur Verfügung stehen, weil man den Tarif aufgrund von Beitragserhöhungen zu sehr abspecken musste. Mancher Privatversicherte, der bei Diskussionsrunden stolz erzählt wie er seinen PKV-Beitrag durch Leistungsverzicht und Erhöhung der Selbstbeteiligung niedrig halten konnte, guckt leicht bedeppert, wenn man ihn auf diesen Zusammenhang aufmerksam macht.

Soweit die Informationsphase. Der angestrebte Tarif ist gefunden und man kennt die Leistungen. Man kann auch bequem sein und den Versicherer auffordern ein Angebot eines Alternativtarifes auf der Basis § 204 VVG zu unterbreiten. Dass man bei dieser Vorgehensweise selbst ahnungslos bleibt, dürfte klar sein. Meistens wird dieser eine höhere Selbstbeteiligung vorschlagen um den Monatsbeitrag zu drücken, was noch versteckte Beitragserhöhungen bedeuten kann, wenn man nicht genau nachrechnet. Weiterer Nachteil: will man später den Selbstbehalt wieder reduzieren, ist eine erneute Gesundheitsprüfung erforderlich. Wer vorher selbst verglichen hat, muss dem Versicherer nicht alles glauben und kann nun den Änderungsantrag für den neuen Tarif stellen. Je nach dem wie gut oder schlecht der neue Vertrag für den Versicherer ausfällt, ist ab nun mit erheblichen Widerstand zu rechnen, bei dem eine Detaildiskussion um Begriffe gleichartiger Versicherungsschutz, Mehrleistung, Leistungsausschluss, Risikozuschlag und Wartezeit beginnt. Berichte aus der Praxis zeigen, dass dieser Kampf mehrere Monate dauern kann. Bei einem Sieg des Kunden (eigentlich nur sein Recht) winken oft Beitragssenkungen von 600 € auf unter 300 € (auch für Rentner). Das bei diesen Zahlen die Gesellschaften aus Furcht vor Einnahmeverlusten großen Widerstand leisten, ist nicht verwunderlich. Für negative Beispiele hat hier die Allianz gesorgt, indem ein sog. Tarifstrukturzuschlag von wechselwilligen Altkunden verlangt wurde bis ein Kunde geklagt und die Allianz vor Gericht verloren hat.

Fachmann hinzuziehen

Da bei einem Tarifwechsel nach § 204 VVG mit Widerstand der Versicherers zu rechnen ist und trotz aller Selbstinformation die Gefahr besteht, dass man vom Versicherer über den Tisch gezogen wird und ein wichtiges Detail übersieht, ist die Hinzuziehung eines Fachmanns ratsam. Am besten wäre ein Versicherungsberater (geschützte Bezeichnung), der gegen Honorar die Sache übernimmt. Ein Makler kann das gegen Provision auch machen. Hier ist vor allem darauf zu achten, dass der Makler nicht versucht den Vertrag zu einer anderen Gesellschaft zu lotsen, schließlich bringt das für ihn deutlich mehr Provision (Höhe siehe Provision).